49er-Steuermann Tim Fischer vor der EM: „Wir haben Lust uns gegenseitig zu pushen“

Nach den Olympischen Spielen ist vor den Olympischen Spielen: In knapp drei Jahren wird im Sommer 2024 vor Marseille um olympisches Segelsportmedaillen gesegelt. Das German Sailing Team hat längst die Weichen dafür gestellt. Deutschlands beste Olympiasegler haben die Segel auf Kurs Frankreich dichtgenommen. Bei der Skiff-Europameisterschaft geht es vom 14. bis zum 19. September für die besten Kadersegler um eine Standortbestimmung und Top-Ergebnisse.

Als bislang erfolgreichste DSV-Crew sind im Revier vor Thessaloniki (Griechenland) im 49er mit Tim Fischer und Fabian Graf (Norddeutscher Regatta Verein/Verein Seglerhaus am Wannsee) die WM-Dritten von 2018 im Einsatz. Auch ihre Team-Kameraden Jakob Meggendorfer/Andreas Spranger (Bayerischer Yacht-Club), Max Stingele/Linov Scheel und weitere Nachwuchs-Talente wollen zeigen, dass mit ihnen in den kommenden drei Jahren zu rechnen ist. Bei den Frauen zählen im 49erFX mit Marla Bergmann und Hanna Wille unter anderen die Junioren-Weltmeisterinnen dieses Jahres vom Mühlenberger Segel-Club in Hamburg und Maru Scheel/Freya Feilcke (Kieler Yacht-Club) zum jungen erfolgshungrigen deutschen Aufgebot.

Im Interview berichtet der 26-jährige 49er-Steuermann Tim Fischer kurz vor Beginn der kontinentalen Titelkämpfe vom Neustart seiner Crew mit dem 25-jährigen Vorschoter Fabian Graf, der Aufbruchstimmung im German Sailing Team und den Zielen seines Teams.

Tim Fischer German Sailing Team
49er-Steuermann Tim Fischer

Nach den Olympischen Spielen in diesem Sommer hat der Neuaufbruch begonnen. Du stehst kurz vor dem Abschluss deines BWL-Master-Studiums. Bereit für die EM?

Ich habe zuletzt Vollgas im Studium gegeben und ein sehr intensives dreimonatiges Praktikum in einer Unternehmensberatung hinter mit, bei dem ich extrem viel lernen konnte. Es ging um Strategieberatung. Das ist eine Richtung, in die ich mich nach dem aktiven Segeln gerne orientieren möchte. Ich werde mein Master-Studium in diesem Jahr abschließen. Dann rückt für Fabian und mich die Olympia-Kampagne bis 2024 in den Vordergrund.

Wann war dein letzter Wettkampf vor der jetzt beginnenden Europameisterschaft in Griechenland?

Das war die Europameisterschaft 2020. Seitdem haben wir keinen Wettkampf mehr bestritten. Hier in Griechenland gab es eine Vorab-Regatta, bei der wir uns noch etwas schwergetan haben, aber mit Platz sechs abschließen konnten. Für die EM gilt nun: Erst einmal gut reinkommen, in den Top Ten halten und dann sehen, was nach vorne geht.

Euer Team hat nach der letzten Olympia-Qualifikation getrennt voneinander verschiedene neue sportliche Wege ausgelotet, sich dann aber wieder Seite an Seite formiert…

Wir hatten uns für die EM 2020 wieder zusammengetan. Wir wollten sie gewinnen und wir haben sie gewonnen.

Es geht also gemeinsam auf Kurs 2024?

Wir sind als Perspektivkader-Crew natürlich von der Förderung abhängig. Dafür möchten wir mit guten Ergebnissen die Weichen stellen. Entscheidend dafür wird unsere Leistung bei der Weltmeisterschaft im Oman im November sein. Da müssen und wollen wir in die Top Acht segeln.

Euer kurzfristiges EM-Ziel?

Tim Fischer Fabi Graf
Tim Fischer und Fabi Graf bei der Kieler Woche 2020. Foto: Christian Beeck

Wir wollen jetzt unser gutes Gefühl wiederherstellen. Uns macht als Team stark, dass unsere Rollen miteinander verschmelzen. Wir sind sicher unterschiedliche Typen, aber gerade das ergibt ein breit aufgestelltes Team.

Ihr fühlt euch sportlich gut gerüstet?

Wir haben ein bisschen Gewicht zulegen können, schaffen zusammen die 160 Kilogramm. Das macht uns vielleicht etwas weniger abhängig von bestimmten Bedingungen. Der Trend geht im 49er zu über 160 Kilogramm. Da waren wir früher drunter. Fabi und ich sind so etwas wie klassische Binnenseesegler, sind mit ‚leicht und tricky‘ großgeworden, inzwischen aber auch gute Allrounder. Das hatten uns Erik Heil und Thomas Plößel, die in Japan ihre zweite 49er-Bronzemedaille gewinnen konnten, früher voraus.

Was hat sich in eurem Team im Vergleich zur letzten Olympia-Kampagne noch geändert?

In der ersten Kampagne waren wir vielleicht ein bisschen verkrampft. Jetzt gehen wir unsere Ziele deutlich lockerer an. Natürlich werden wir nie vergessen, wie stark Erik und Thomas sind. Von ihnen kann man das lernen: Egal, mit welcher Platzierung sie von einer Regatta heimkommen – sie bleiben gleich stark oder werden noch stärker.

Die 49er-Gruppe im German Sailing Team gilt als vorbildliche und erfolgreich miteinander agierende Einheit. Bleibt das auch in Zukunft so?

Im 49er gibt es nicht diesen innerdeutschen Konkurrenzkampf wie in anderen Nationen. Wir haben Lust uns gegenseitig zu pushen. Wir trainieren in Regie von Max Groy intensiv mit Jakob Meggendorfer und Andreas Spranger, mit Max Stingele und Linov Scheel und anderen. Jede dieser Crews hat ihre Stärken. Gemeinsam können wir es weit schaffen.

Aus deiner Sicht idealerweise mit dem Sieg eurer Crew bei der kommenden nationalen Ausscheidung für die Olympischen Spiele 2024?

Das ist unser Ziel. Ein Ziel für mich ist aber auch ein WM-Sieg. Ich fand es fast erschreckend, wie wenig Philipp Buhls fünfter Platz in Japan neben den olympischen Medaillengewinnern gesellschaftlich wert gewesen zu sein schien. Dabei ist er Weltmeister! Das gelingt nur den Besten der Besten und ist rein sportlich noch viel höher einzustufen, weil es so viel schwerer zu erreichen ist.

Eure nächsten Pläne?

Wir werden jetzt drei Monate bis zur WM im Oman Vollgas geben. Dort wollen wir erfolgreich sein und uns die Optimalförderung sichern, die wir für unsere Kampagne brauchen. Davor steht die EM jetzt. Wir sind bereit und freuen uns auf den Wettkampf!

Alle Ergebnisse, Fotos und Videos der 49er-Em finden Sie hier