Das Olympiarevier von Enoshima: „Favorisiert sein werden gute Allrounder“

Der Enoshima Yachthafen hat eine glanzvolle Geschichte. Er war der erste Sporthafen Japans, der für die Ausrichtung von Wassersportwettbewerben konstruiert wurde: 1964 bildete er das Zentrum der olympischen Regatta in japanischen Gewässern. Für den deutschen Segelsport bleibt die Premiere vor 57 Jahren nicht nur, aber vor allem durch von Willy Kuhweides goldenen Einsatz im Finn Dinghy unvergesslich.

Enoshima Olympiarevier
Segeln vor der imposanten Kulisse des Mount Fuji. Foto: Sailing Energy

Der Berliner Ausnahmesegler erinnert sich noch gut an das Olympiarevier, das nun zum zweiten Mal die Bühne für einen olympischen Wettstreit unter Segeln sein wird: „1964 fand die olympische Regatta im Oktober statt. In diesem Jahr liegt sie im Sommer. Es wird bei hoher Luftfeuchtigkeit warm bis heiß sein. Die Wassertemperatur beträgt etwa 25 Grad Celsius. Die Wellen-Charakteristik ist normal, entsprechend der Windstärke. Oft herrschen im Sommer leichte bis moderate Winde. Eine ausgeprägte Richtung oder Tendenz gibt es nicht. Der Wind kann täglich wechseln.“

In Kürze: Das Olympiarevier ist eines für Alleskönner mit schneller Auffassungsgabe und starkem Adaptionsvermögen. Kuhweide weiß: „Gute Allrounder werden favorisiert sein – wie schon damals bei uns im Oktober 1964. Aber im Sommer bei durchschnittlich leichteren Winden.“

Beliebtes Wassersportrevier vor imposanter Kulisse

Enoshima Sea Candle
Der Leuchtturm „Sea Candle“ ragt als weit erkennbares Wahrzeichen über der Steilküste von Enoshima auf. Foto: Wecanz

350 Segler und Seglerinnen aus 60 Nationen sowie 250 Boote werden vom 25. Juli bis zum 4. August in zehn Segeldisziplinen um olympische Medaillen kämpfen. Wettfahrtleitung, Veranstaltungsteam, Nationalmannschaften und Medienvertreter werden den Yachthafen auf der Insel Enoshima im Hochsommer beleben. Das Eiland selbst ist mit seinem Umfang von rund vier Kilometern ein Ortsteil der Stadt Fujisawa.

Olympisch gesegelt wird in der Sagami-Bucht, auch bekannt als Sagami-Golf oder – in der Landessprache – als Sagami-wan. Das Revier befindet sich im Süden der japanischen Präfektur Kanagawa. Die Halbinsel Miura trennt die Sagami-Bucht im Osten von der Bucht von Tokio, die Halbinsel Izu begrenzt sie im Westen. Vor der Kulisse buddhistischer Tempel, der Enoshima-Schreine und dem ungewöhnlichen Leuchtturm „Enoshima Sea Candle“, der mit seinem Lichtschein ein wachsames Auge auf die Sagami-Bucht hat, geht es in anspruchsvollen Gewässern zur Sache. An klaren Tagen ist im Sommer sogar der 3776 Meter hohe Mount Fuji zu sehen – Japans meistbestiegener Berg und Vulkan. Das Wassersportrevier gut 60 Kilometer südwestlich von Tokio zählt zu den größten Touristen-Attraktionen der Region. Besonders beliebt ist der Surfer-Strand von Shonan, den seine Fans auch „Miami des Ostens“ nennen. Segeln und viele andere Wassersportarten stehen hier hoch im Kurs.

„Du musst hier einfach in allen Bedingungen stark sein“

Enoshima Segelrevier
Hohe Wellen prägen das olympische Segelrevier. Svenja Weger liebt diese Surf-Bedingungen. Foto: Wecamz

Das abwechslungsreiche Revier hat auch den Besten viel zu bieten. Von den Olympioniken ist viel Positives über die Segelbedingungen in der Sagami-Bucht zu hören. Laser-Weltmeister Philipp Buhl sagt: „Im Revier vor Enoshima herrscht teilweise großer Schwell. Das ist für den Laser richtig cool! Es ist windtechnisch anspruchsvoll. Auch die Wellen sind anspruchsvoll. Das mag ich.“

Alica Stuhlemmer, Paul Kohlhoffs Kieler Olympia-Vorschoterin im foilenden Mixed-Katamaran Nacra 17, sagt: „Du musst hier einfach in allen Bedingungen stark sein.“

Laser-Radial-Steuerfrau Svenja Weger verspürt große olympische Vorfreude, wenn sie sagt: „Tendenziell liegt mir das Revier, weil ich meine Stärke auf dem Vorwind bei viel Welle gut ausspielen kann.“

Die Windprognose für die Olympischen Spiele kommt dem Fazit nah, das die Finn-Klasse nach einer vorolympischen Testregatta zog: „Japan war ein großartiger Gastgeber. Die Segler haben vom Ausläufer eines Taifuns über extreme Hitze bis hin zu leichten, ablandigen oder auflandigen, drehenden oder stabilen Winden die ganze Palette aller Bedingungen erlebt. Sie wurden maximal herausgefordert und das ist ein großartiger Indikator dafür, was bei den Olympischen Spielen zu erwarten ist.“

Sechs Kurse, zehn Finalkrimis und ein Traum

Enoshima Segelrevier
Vorfreude auf Olympia: Für Tina Lutz (Mitte) wird der Traum im dritten Anlauf wahr. Foto: Wecamz

Sechs Kurse sind für die Olympia-Regatta vorgesehen. Ihre Namen: Enoshima, Kamakura, Zushi, Fujisawa, Sagami und Hayama. Am dichtesten zum Hafen liegt Kurs Enoshima, am weitesten entfernt Kurs Hayama. Die Rennen der Windsurfer werden mit einer Dauer von 20 bis 25 Minuten die kürzesten sein. Etwa 30-minütige Wettfahrten sind für die Skiff-Disziplinen 49er und 49erFX sowie die Mixed-Katamarane Nacra 17 vorgesehen. Ein- und Zwei-Personen-Jollen sollen rund 50 Minuten pro Rennen im Einsatz sein. Die Medaillenfinals sind als spannende 20- bis 25-minütige Finalkrimis geplant. An ihrem Ende wird klar sein, wer die zahlreichen Segelherausforderungen in der Sagami-Bucht am besten gemeistert hat und sich den großen Traum von einer Olympiamedaille erfüllen kann.